12. September 2021
Ein neues Leben für Ursul, ein Griffon-Fauve de Bretagne Mix, 14 Jahre alt
Letzte Nacht, es war kurz vor Mitternacht, ist Ursul angekommen. Für ihn war es eine lange, sehr lange Fahrt aus Frankreich bis zu uns. Auch wenn das speziell für den Transport von Tieren eingerichtete Fahrzeug klimatisiert ist, so ist ein solcher Transport immer sehr anstrengend für die Tiere. Schließlich kann man ihnen auch vorab nicht sagen, wohin die Reise geht und dass für sie dort ein neues Leben beginnen wird.
Ursuls Besitzerin hatte ihn „Crapule“ genannt, was so viel heißt wie Kröte oder Krepel, also jemand, der ständig schimpft, unfreundlich und immer schlecht gelaunt ist. Irgendwann hatte Ursul angeblich ein kleines Kind gebissen. Danach wurde er nur noch in einem kleinen Zimmer eingesperrt gehalten. Schließlich wurde er zum Tierarzt gebracht und sollte eingeschläfert werden. Der Tierarzt weigerte sich und eine Mitarbeiterin hat den kleinen Wicht dann in das Tierheim gebracht. Das war vor einem Jahr.
In dem kleinen Tierheim hat man ihm gleich einen neuen Namen gegeben. „Ursul“, das ist die männliche Form von Ursula, so heißt er jetzt. Es hat lange gedauert, bis die Mitarbeiter ihn anfassen konnten und er sich hat anleinen lassen. „Am liebsten hält er sich draußen im Auslauf auf, wo es auch eine Hütte für ihn gibt. Eigesperrt sein verträgt er gar nicht.“ Das waren die Aussagen der Mitarbeiter des Tierheims.
Kleiner Ursul – nun ist er hier bei uns. Heute früh rannte er ständig durch den Garten. „Run, Forest, run“ wollte ich ihm zurufen, als ich ihn so rennen sah und hatte schon überlegt, ob wir ihn nicht besser „Forest Gump“ nennen sollten. Doch dann, nur ein paar Stunden später, hatte Ursul die Küche und anschließend das Wohnzimmer erkundet – und siehe da, völlig erschöpft von so viel Neuem, hielt er dann ein Nickerchen auf dem Wohnzimmerteppich und dann später in einem Körbchen, das wir ihm hingestellt hatten.
Anfassen möchte er sich noch nicht lassen, dann schnappt er. Aber was solls. Schließlich sind wir immer noch Fremde für ihn. Nach all dem, was seine Besitzer ihm angetan hatten, ist das kein Wunder. Erstmal abwarten, ob die neuen Leute auch wirklich nett zu mir sein werden, wird er sich sagen.
Wir haben Geduld, kleiner Ursul und wir werden dir die Zeit geben, die du brauchst um uns zu vertrauen.
Ursul ist wirklich bereits über 14 Jahre alt. Er hat noch seinen Originalausweis, wo alle Impfungen und auch, wann er gechippt wurde, eingetragen sind.
Heute habe ich schon gleich einen Termin gemacht bei einer ausgezeichneten Hundefriseurin, denn nach der langen Fahrt in einer Box riecht Ursul jetzt stark nach Urin und auch sein Fell müsste gereinigt werden. Ihn in die Wanne zu stecken, möchten wir ihm jetzt nicht zumuten. Außerdem wäre das für ihn ein negatives Erlebnis, was er dann mit uns in Verbindung bringen würde. Besser also, das Baden und die professionell Fellpflege einem Spezialisten zu überlassen. Jedenfalls wird der kleine Ursul in ein paar Tagen wie ein neuer Hund aussehen und sich danach hoffentlich auch wieder wohler fühlen. Die Untersuchung beim Tierarzt kommt dann später. Eine gründliche Untersuchung und ein großes Blutbild sind definitiv angesagt, denn die Nierenwerte, die in Frankreich gemacht wurden, waren nicht ganz in Ordnung.
Ansonsten hat Ursul bei uns Zugang zum Haus und zum Garten und kann herumdödeln, ganz wie und wo er möchte. Unsere beiden alten Bretonischen Spaniel-Damen aus Frankreich, Eileen und Jolene und unseren 16 Jahre alten Jack-Russel-Mix Freddy hat er auch schon kennengelernt und unsere Katzen natürlich auch.
Draußen wird es jetzt langsam dunkel und der erste Tag für Ursul bei uns geht zu Ende. Für den kleinen, alten Ursul hat heute ein neuer Lebensabschnitt begonnen!
13. September 2021
In der Nacht habe ich über einiges nachdenken müssen und ich habe deshalb beschlossen, meinem Text von gestern noch ein paar Gedanken hinzuzufügen.
Vor mir liegt der Impfpass von Ursul. Ursul, geboren im Jahr 2007. Damals war er ein kleines Hundekind, das sein ganzes Leben noch vor sich hatte. Seine Besitzerin hatte ihm den Namen „Crapule“ gegeben. Sie hatte die Wesenszüge eines „Crapule“ auf diesen kleinen Hund bereits projiziert, als er noch ein ganz junges Hundekind war und hat ihn fortan wie einen „Crapule“ behandelt. Wundert es dann, dass er in all den Jahren der Missachtung, Misshandlung und ständig eingesperrt zu werden, zu einem Hund, der sich wie ein „Crapule“ benimmt, geworden ist? Ein Hund, der schnappt, sich nicht anfassen lassen will, ständig Angst haben muss, dass man ihm irgendetwas antut?
Doch was macht so mancher Besitzer dann, wenn der Hund die ersten Altersbeschwerden bekommen hat, nicht mehr gut sieht oder hört, nicht mehr gut laufen und Treppen steigen kann, vielleicht sogar inkontinent geworden ist? So mancher Besitzer versucht dann sein Tier abzugeben an tierliebe Menschen, oder noch einfacher, er geht zum Tierarzt um es einschläfern zu lassen. Nicht nur in Frankreich oder unseren Nachbarländern ist das so. Damit sind leider auch Tierschützer in Deutschland ständig konfrontiert, die sich gezielt dafür einsetzen, alten und kranken Tieren zu helfen, so wie auch wir das seit über 20 Jahren tun.
Ja, erst wenn „das Kind in den Brunnen gefallen“ ist, bzw. das Haustier, dann soll es so schnell wie möglich weg. Vorher kann es leiden, man ignoriert sein Leiden einfach, so lange bis man es nicht mehr ignorieren kann.
Ursul wurde nicht als ein „Crapule“ geboren. Für sein Verhalten ist einzig und allen seine Besitzerin verantwortlich zu machen. Dafür verachte ich sie zutiefst und andere Menschen ebenso, die ihre Tiere derart schlecht behandeln! Mehr werde ich dazu lieber nicht sagen!
Kleiner Ursul, jetzt bist du schon alt und gut sehen kannst du auch nicht mehr, aber ich hoffe, dir bleibt genug Zeit, damit du vergessen kannst oder es ganz weit von dir wegschieben kannst, was Menschen dir angetan haben.
Beate Busse